Konversionen ehemaliger Siemens-Standorte
Im Coburger Land gab es seit den 1930er Jahren zwei Siemenswerke: das Kabelwerk in Neustadt und das Kunststoffpresswerk in Rodach. Im Neustadter Werk arbeiteten bis zu 3.600 Menschen, während der Rodacher Betrieb mehreren hundert Beschäftigten Lohn und Brot bot. In den 90er Jahren wurde der Siemens-Konzern grundlegend umgestaltet. Der damalige Vorstandsvorsitzende Heinrich von Pierer legte den sogenannten 10-Punkte-Plan vor, der vorsah, alle Sparten, die aus Sicht der Konzernleitung nicht genug Profit abwarfen, stillzulegen oder zu veräußern.
Neustadter Kabelwerk und Industriebrache
Der Konzernumbau betraf beide Siemens-Standorte im Landkreis Coburg. Der Neustadter Betrieb wurde 1998 zunächst an den italienischen Pirelli-Konzern verkauft. Wenige Jahre später erfolgte die Übernahme durch die Prysmian-Gruppe, die bis heute in Neustadt produziert. Allerdings schmolzen sowohl die Belegschaft als auch das benötigte Betriebsgelände drastisch zusammen. Auf den freigewordenen Flächen siedelte sich zunächst ein Unternehmen der Solarbranche an, das zu den erfolgreichsten Technologiefirmen Deutschlands zählte. Im Zuge des Niedergangs der deutschen Solarindustrie wurde dieser Betrieb 2013 stillgelegt.
Neue Fertigung für Chipkarten
Die in Neustadt vorhandenen Flächen auf dem ehemaligen Siemens-Areal sowie die gute Anbindung durch die Autobahn überzeugten die Giesecke+Devrient GmbH, mit Hauptsitz in München, auf der Industriebrache eine Fertigung für Chipkarten zu errichten. Seit 2016 werden Kreditkarten für deutsche und europäische Banken sowie Versichertenkarten für Krankenkassen in einem Hochsicherheitsbetrieb hergestellt und versandt. Inzwischen produzieren etwa 150 Angestellte im Dreischichtbetrieb 200.000 Karten pro Tag. Dennoch gab es weitere Brachflächen auf dem vormaligen Siemens-Gelände. In jüngster Zeit wurde ein großes Logistikzentrum auf etwa 85.000 Quadratmetern Fläche errichtet. Der Betrieb wirbt explizit mit der exzellenten Verkehrsanbindung über B 4 und A 73, was eine gute Erreichbarkeit der relevanten Märkte Süddeutschlands bis Stuttgart und München gewährleistet.
Weiterführung des Siemens-Werks in Bad Rodach
Auch im Fall des Siemens-Werks in Bad Rodach konnte eine Weiterführung des Betriebs erreicht werden. Der französische Valeo-Konzern übernahm die Fertigungsanlagen und baute das Werk kontinuierlich aus. Derzeit sind 860 Mitarbeitende beschäftigt. Inzwischen befindet sich auch ein Forschungs- und Entwicklungszentrum mit 100 hochspezialisierten Fachkräften am Standort in Bad Rodach.
Das Annawerk in Rödental gehörte zu den ersten Industriebetrieben im Coburger Land. Bekannt wurde das Unternehmen für seine Sanitärkeramik und Baukeramik, etwa Klinker und Ziegel. Die Produktpalette war jedoch deutlich umfangreicher, besonders wichtig war der Bereich der technischen Keramik. Der Betrieb wuchs auf sechs Einzelfabriken an, die in Oeslau auf 100.000 Quadratmetern produzierten und noch in den 80er Jahren etwa 1.000 Beschäftigten Arbeit boten. Ende der 1990er Jahre wurde das Annawerk, das inzwischen mehrere Produktsparten eingestellt hatte, an den französischen Konzern St. Gobain verkauft. Auch die Belegschaft war deutlich geschrumpft. Unter neuer Führung konnte sich der Rödentaler Betrieb jedoch wieder erholen und produziert heute ausschließlich technische Keramik. Zwischenzeitlich wurden Dieselrußpartikelfilter hergestellt. Diese Sparte wurde allerdings 2014 aufgegeben, was zu einem erneuten Absinken der Mitarbeiterzahl führte. Aktuell sind in Rödental etwa 500 Personen beschäftigt.
Die drei Beispiele Neustadt, Bad Rodach und Rödental stehen für gelungene Konversionen alter Industriebetriebe bzw. geglückte Betriebsübernahmen. Zwar konnten die vormaligen Mitarbeiterzahlen nicht immer gehalten werden, dies gilt vor allem für Neustadt. Aber in allen Fällen kam es zu einer Weiterführung von Beschäftigung an den alten Standorten. Im Falle Neustadts ist der Prozess der Wiederinwertsetzung des ursprünglichen Siemens-Geländes bis heute noch nicht abgeschlossen, was die Errichtung des Logistikzentrums zeigt.