Keramikwaren aus der Coburger Region
Der erste moderne Industriebetrieb im Coburger Land verdankte seine Entstehung der Gasindustrie. Seit 1854 existierte in Coburg eine Gasanstalt, die von dem aus Rotthalmünster stammenden Unternehmer Joseph Rudolph Geith geleitet wurde. Die für die Gasproduktion benötigten Schamottesteine bezog Geith aus England. Da diese sehr teuer waren, suchte der Unternehmer nach einer Alternative und fand sie im Bereich des heutigen Rödental, wo es ausreichend Ton- und Kalkvorkommen gab. Letzteres wurde für die Reinigung von Holzgas benötigt. Als absehbar war, dass in Oeslau ein Bahnhof entstehen sollte, entschloss sich Geith zum Bau einer Schamotte- und Kalkbrennerei, die 1857 ihren Betrieb aufnahm. Der spätere Name „Annawerk“ wurde der Firma 1868 verliehen, zur Erinnerung an die verstorbene Ehefrau des Firmengründers. Bis zu diesem Zeitpunkt produzierte der Betrieb neben Schamottesteinen und Kalk auch Gips und Backsteine. Danach erweiterte Geith sein Sortiment zunächst um Tonröhren für die Kanalisation. Gerade durch die Industrialisierung und den Bevölkerungszuwachs in den Städten war eine Verbesserung und Vergrößerung der Abwassersysteme notwendig geworden, wodurch eine hohe Nachfrage für diese Röhren bestand. Ab 1875 stellte das Annawerk zudem säurefestes Steinzeug für die aufkommende chemische Industrie her und begann mit der Produktion von Dachziegeln.
Entwicklung des Annawerks
Das Unternehmen von Geith war von Anfang an wirtschaftlich erfolgreich. Innerhalb weniger Jahre mussten bis zu 15 neue Öfen und Trockenräume errichtet werden. Nachdem das Werk anfangs eine Fläche von 5.000 Quadratmetern umfasste, vergrößerte sich das Areal bis 1907 auf eine Produktionsfläche von 97.000 Quadratmetern. Zu diesem Zeitpunkt waren rund 320 Personen im Annawerk beschäftigt. Die energetische Versorgung der Fabrik erfolgte seit 1872 durch ein eigenes Gaswerk, das in den folgenden Jahren mit dem Unternehmen weiter wuchs und schließlich auch die Gasversorgung der Orte Oeslau, Einberg und Mönchröden sicherte. Diese Versorgung endete 1927 mit der Umstellung auf elektrischen Strom.
Im Jahr 1884 verstarb Joseph Rudolph Geith. Seine Familie führte das Unternehmen noch bis 1898 weiter, bevor es in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde, eine Rechtsform, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts populär wurde. Dem wirtschaftlichen Erfolg des Betriebs tat dies keinen Abbruch. 1906 konnte ein viertes Werk zur Herstellung von Toiletten, Waschbecken und -tischen eröffnet werden. Sieben Jahre später errichtete das Unternehmen eine eigene Röhrenfabrik. Der benötigte Rohstoff wurde von da an mit einer Grubenbahn aus den Tongruben bei Kipfendorf herbeigeschafft. Die Bahn blieb bis 1958 in Betrieb.
Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs endete vorübergehend das wirtschaftliche Wachstum des Annawerks. Die Auswirkungen der militärischen Auseinandersetzungen führten zu Rohstoff- und Arbeitskräftemangel sowie einem Einbruch im Verkauf. Auch die Zeit der Weimarer Republik war von wirtschaftlichen Krisen geprägt. Erst durch die Wirtschaftsförderung der Nationalsozialisten erholte sich das Annawerk nach 1933 von seinen Rückschlägen. So konnte im Jahr 1936 die Porzellanfabrik Alexandrinenthal in Mönchröden übernommen werden, und ein Jahr später erwarb das Unternehmen ein weiteres Werk in Schwarzenfeld in der Oberpfalz zur Vergrößerung der Rohstoffbasis. Während des Zweiten Weltkriegs entwickelte sich das Annawerk aufgrund seiner Produktion von Schamottesteinen zu einem kriegswichtigen Betrieb und blieb daher von einer Schließung verschont. Nach 1945 knüpfte das Unternehmen an den wirtschaftlichen Erfolg der Vorkriegszeit an. Im Jahr 1957 beschäftigte die Firma etwa 900 Mitarbeiter, eine Zahl, die bis 1966 auf 1.000 erhöht werden konnte. Gleichzeitig wuchs das Werksgelände auf eine Fläche von 325.000 Quadratmetern an, wobei die Produktionsflächen 32 Prozent ausmachten. Die Firma bestand schließlich aus sechs Werken für feuerfestes Material, Wand- und Fußbodenplatten, Sanitärkeramik, Edelputz sowie Klinker und Dachziegel.
Das Annawerk wurde schließlich im Jahr 1998 verkauft. Zu diesem Zeitpunkt waren noch 340 Personen in der Firma beschäftigt. Der neue Eigentümer, der französische Konzern Saint-Gobain, ließ im Jahr 2000 das Werk in „Saint-Gobain Industriekeramik Rödental“ umbenennen. Heute arbeiten in dem Unternehmen 720 Menschen. Vertrieben und produziert werden Brennhilfsmittel für die Keramikindustrie sowie Spezial-Feuerfesterzeugnisse für die Metallurgie.