Spielzeug von der Werkbank zur Weltbühne
Die Entwicklung der Puppenindustrie
Durch die Nähe zum Thüringer Wald spezialisierten sich bereits in der Frühen Neuzeit Handwerker im Raum Neustadt bei Coburg und Sonneberg auf die Verarbeitung von Holz. Neben Möbeln stellten sie auch Spielzeug und Puppen her. Ein bedeutender Wendepunkt in der Entwicklung war das Jahr 1748, als der aus Lauscha stammende Maler Andreas Greiner nach Neustadt bei Coburg zog und begann, Holzspanschachteln kunstvoll zu bemalen. Bald darauf experimentierte er mit der Bemalung von Holzpuppen, was den Beginn eines florierenden Handwerks markierte und Neustadt zu einem Zentrum der Puppenherstellung machte.
Die eigentliche Hochblüte der Puppen- und Spielzeugherstellung setzte ab 1805 in Sonneberg ein. Schon seit dem 16. Jahrhundert etablierte sich dort eine Spielwarenproduktion, die zunächst vor allem von Nürnberger Kaufleuten abgenommen wurde. Mit der Einführung des Pappmachés zu Beginn des 19. Jahrhunderts erlebte die Puppenherstellung einen Aufschwung. Die Produkte fanden insbesondere in den USA großen Absatz. Trotz dieser internationalen Verflechtungen blieb die Produktion überwiegend in Handarbeit, geprägt von Klein- und Kleinstbetrieben. Etwa 85 Prozent der Unternehmen beschäftigten damals höchstens vier Mitarbeiter, die oft in Heimarbeit tätig waren.
Puppenfabriken in der Coburger Region
Neustadt bei Coburg profitierte stark von dieser Entwicklung und wurde bis 1914 zu einem der bedeutendsten Produktionsstandorte. Die erste Puppenfabrik im Herzogtum Coburg wurde 1878 von Max Oscar Arnold gegründet. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs beschäftigte sein Unternehmen bereits 2.500 Mitarbeiter. Trotz der Kriegswirren expandierte die Firma weiter und erreichte 1919 mit insgesamt vier Werken ihre größte Ausdehnung. Nach dem Kriegsende jedoch spürte die Puppenindustrie die wirtschaftlichen Einbrüche, was 1928 zum Konkurs von Arnolds Unternehmen führte.
In den 1920er Jahren erholte sich die Puppenherstellung wieder, wenngleich nicht auf das Niveau der Kaiserzeit. Neue Unternehmen wie die Firma Lissi Bätz, gegründet 1922 in Wildenheid, oder die Puppenfabrik Max Zapf, gegründet 1931 in Mönchröden, prägten diese Zeit. Rödental entwickelte sich ebenfalls zu einem bedeutenden Zentrum der Spielzeugindustrie.
Nach dem Zweiten Weltkrieg unterbrach die deutsche Teilung ab 1945 die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Neustadt bei Coburg und Sonneberg. Westdeutsche Puppenhersteller erschlossen neue Absatzmärkte durch innovative Produkte. Ein bemerkenswertes Beispiel ist die „Bild-Lilli“ Puppe, die 1955 von der Firma O. & M. Hausser aus Neustadt bei Coburg auf den Markt gebracht wurde und als Vorbild für die spätere Barbie-Puppe diente. Die amerikanische Firma Mattel erwarb 1964 sämtliche Rechte an der „Bild-Lilli“, was das Ende ihrer Produktion bedeutete. Ebenfalls erfolgreich war die Baby-Born-Puppe, die 1991 von der Firma Zapf eingeführt wurde und weltweit bekannt wurde.
1979 existierten im Coburger Land 37 Spielzeug- und Puppenbetriebe mit insgesamt 1.855 Angestellten. Die zunehmende Nutzung technologischer Hilfsmittel führte zur weiteren Industrialisierung der Branche, wodurch die Heimarbeit rapide an Bedeutung verlor und Anfang der 1990er Jahre gänzlich eingestellt wurde.
Die Geschichte der Puppenherstellung kann heute im Museum der Deutschen Spielzeugindustrie in Neustadt bei Coburg sowie im Deutschen Spielzeugmuseum in Sonneberg erlebt werden.