Coburgs Eisen- und Metallindustrie
Kaiserzeit
Der im 19. Jahrhundert einsetzende rasante Prozess der Industrialisierung in Deutschland veränderte die Eisen- und Metallverarbeitung nachhaltig und machte dadurch das Land zu einem führenden Industriestandort in diesem Sektor in Europa. Zu Beginn des Jahrhunderts war diese Branche noch von Kleingewerben und handwerklichen Betrieben geprägt. Durch den Einsatz moderner Technologien wie der Dampfkraft und der Einführung neuer Produktionsmethoden erfolgte in diesem Sektor eine tiefgreifende Industrialisierung an deren Ende die Eisen- und Stahlproduktion erheblich gesteigert werden konnte. Damit trug die Wirtschaft in erster Linie der steigenden Nachfrage Rechnung. Eisen und Stahl wurden durch den Ausbau des Eisenbahnschienennetzes und der Schwerindustrie sowie durch den Bau von Maschinen und Lokomotiven in großen Mengen benötigt. Daher entstanden die ersten Fabriken in der Nähe vorhandener Rohstoffvorkommen. Zu Industriezentren entwickelten sich das Ruhrgebiet und Oberschlesien, die auch über eine günstige Verkehrsanbindung verfügten.
Coburger Fabrikanten
Das Herzogtum Coburg besaß damals weder größere Rohstoffvorkommen, noch war das Land ausreichend am Schienennetz angebunden. Trotz dieser Widrigkeiten etablierten sich im Raum Coburg auf langer Sicht Betriebe der Eisen- und Metallindustrie. So gründete sich auf Grundlage der im Jahr 1863 im Herzogtum eingeführten Gewerbefreiheit eine Eisengießerei. Es handelte sich dabei um die „Ernsthütte“ in Cortendorf, welche von dem Kaufmann Ludwig Schemann und dem Gießermeister Louis Langenstein ins Leben gerufen wurde. Die Firma fertigte anfangs Gießereiprodukte und Wasserräder an. 1869 stellte das Unternehmen die ersten Wasserturbinen her. Die Produktpalette erweiterte sich in den folgenden Jahren um die Fertigung von Verbrennungsmotoren und Dampfmaschinen. Zugleich schuf die Firma eine Abteilung für Schmiedehammerbau, deren Produkte vor allem die südthüringischen Waffen- und Werkzeugfabriken abnahmen. Insgesamt blieb die unter der heutigen Bezeichnung „LASCO“ bekannte Maschinenfabrik für eine lange Zeit der einzige Metallbetrieb im Coburger Land.
Entwicklung Neuses zum Industriedorf
Erst als nach der Reichsgründung von 1871 die Hochindustrialisierung in Deutschland einsetzte und damit die Eisen- und Metallindustrie einen Wachstumsschub erhielt, siedelten sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts neue Betriebe aus diesem Sektor im Herzogtum an. Neben Coburg entwickelte sich vor allem Neuses zu einem kleineren Zentrum der Eisen- und Metallverarbeitung. Hier fanden die Unternehmer ähnliche Rahmenbedingungen vor wie rund 40 Jahre vorher in Cortendorf. Beide Orte lagen an fließenden Gewässern und verfügten über zahlreiche Mühlbetriebe. Diese wurden genutzt, um Erze zu zerkleinern und zu mahlen. Damit war ein entscheidender Schritt, um Metalle aus dem Gestein zu extrahieren, getan. Zudem nutzte man die in den Mühlen durch Räder und Turbinen erzeugte Wasserkraft als günstige Energiequelle.
Die Entwicklung von Neuses zum Industriedorf begann im Jahr 1906. Damals gründete der Unternehmer Andreas Flocken, welcher in Coburg schon eine Maschinenfabrik betrieb, eine Eisengießerei. Zu der Firma gehörte auch die Neuseser Wiesenmühle, die Flocken schon 1899 erwarb. Diese nutzte er zur Stromgewinnung, wodurch seine Eisengießerei die notwendige Energieversorgung erhielt. 1911 verkaufte Flocken den Betrieb an den Unternehmer Franz Dornburg, der hier die Coburger Maschinenbau GmbH (Comag) gründete. Die Firma stellte bis 1953 vor allem Holzbearbeitungsmaschinen her. Danach wurde der Standort von der Maschinenfabrik Kapp (heute Kapp Niles) übernommen. Firmengründer Bernhard Kapp (1921-2014) führte dabei die Produktpalette der Comag weiter.
1909 siedelte sich mit der Maschinenfabrik des Münchner Unternehmers Gustav Brückner (1870-1948) ein weiterer Industriebetrieb in Neuses an. Brückner produzierte hauptsächlich Drahtschneide- und Biegemaschinen, sowie Schweißmaschinen und Benzinmotoren. Die Firma existierte bis 2011.
Mit dem Ersten Weltkrieg stagnierte das Wachstum der Metallindustrie. Zwar besaß die Branche als Waffen-, Munitions- und Fahrzeuglieferant für die deutsche Armee eine kriegswichtige Bedeutung und konnte so ihr Geld verdienen. Die Herstellung „ziviler“ Produkte geriet aber dadurch in den Hintergrund und wurde deshalb heruntergefahren. Zudem geriet das Deutsche Reich aufgrund seiner Rolle im Krieg in eine internationale Isolation, wodurch der Export von Metallwaren einbrach. Erst 1919 sollte es wieder zu einem Aufschwung in diesem Industriezweig kommen.